Muss man als Christ an die Schöpfungsgeschichte glauben? D. h. im wörtlichen Sinne so wie es die Kirche von Anfang an tat (siehe dazu auch meinen Beitrag Ist das Buch Genesis wirklich historisch zu verstehen)?

Beziehungsweise darf man als “aufgeklärter” Christ das überhaupt? Wäre man da nicht ganz und gar “unvernünftig” oder gar ein “Fundamentalist”, “Kreationist” oder einfach jemand, der im naiven Kinderglauben stecken geblieben ist?

In diesem Beitrag möchte ich der Frage nachgehen, ob man in der Tat verrückt oder zumindest unvernünftig sein muss, um noch an die Schöpfung der Welt in sechs Tagen und an Adam und Eva als die ersten Menschen zu glauben.

Und damit möchte ich auch die noch offene Frage aus dem letzten Beitrag zu diesem Thema zu beantworten versuchen (siehe Ungläubig sein wie Thomas oder wie die Schöpfungsgeschichte zu verstehen ist), nämlich ob die Schöpfungsgeschichte nicht bereits von “der Wissenschaft” (eindeutig) widerlegt wurde.

Im Kern geht es also um folgende Fragen:

  1. Welche naturwissenschaftliche Erkenntnis widerlegt (endgültig) die Erschaffung der Welt in 6 Tagen vor ca. 6000 Jahren?
  2. Welche naturwissenschaftliche Erkenntnis widerlegt (eindeutig) die Erschaffung bzw. die Existenz von Adam und Eva?

Zur 1. Frage: Gibt es unumstößliche Beweise, dass die Erde Milliarden und nicht nur ca. 6000 Jahre alt ist?

Wie kommt die heutige Wissenschaft eigentlich darauf, dass die Welt über 14 Milliarden Jahre alt sein muss? Wie kann man diese Zeit überhaupt bestimmen? Die Zeit kann ja nicht direkt gemessen werden, da wir ja auch nicht in der Lage sind, Zeitreisen in die Vergangenheit zu machen. Noch dazu in eine Zeit, in der die Menschen noch gar nicht existierten.

Dieses Alter kann demnach nur indirekt auf Basis heute verfügbarer Daten und einiger Annahmen errechnet werden. Die sogenannte Urknalltheorie (siehe Wikipedia) geht davon aus, dass die Naturgesetze schon immer so galten wie heute (also praktisch seit Ewigkeit) und sich das Universum aus einem winzigen Punkt (Singularität) bis zur heutigen Größe über Milliarden von Jahren ausgedehnt hat. Durch das Zurückrechnen der heute gemessenen bzw. angenommenen Ausdehnungsgeschwindigkeit wird das Alter des Universums ermittelt (mal ganz grob ausgedrückt).

Ist das nun ein sicherer Beweis für das Alter des Universums?

Nicht wirklich und zwar aus zwei Gründen:

Erstens gibt es noch einige unbewiesene grundlegende Annahmen (z. B. die Existenz von bisher nicht nachgewiesener dunkler Materie und Energie), die z. B. im Vortrag des promovierten Astrophysikers Markus Blietz Im Anfang war der große Knall? Evolution oder Schöpfung? erläutert werden und die für einen sicheren Beweis noch zu klären wären.

Zweitens ist ein übernatürliches Eingreifen Gottes auch aus wissenschaftlicher Sicht nicht so einfach ausschließbar (zumindest solange man nicht eine weitere unbewiesene Annahmen machen möchte, nämlich dass es weder Gott, noch übernatürliche Phänomene gibt).

Die Erschaffung der Welt bzw. des Universums durch einen Schöpfergott wäre natürlich ein Vorgang, der außerhalb der Naturgesetze läge, da ja dadurch erst Materie und Energie und auch die Naturgesetze selbst erschaffen worden wären. Zudem ist das ein Punkt, den die Naturwissenschaft überhaupt nicht untersuchen, geschweige denn erklären kann, nämlich woher das alles, was wir kennen und beobachten können eigentlich herkommt und warum es überhaupt zu einer Art Urknall hätte kommen sollen. Das wird einfach als gegeben hingenommen.

Es gibt jedoch in der Tat naturwissenschaftliche Erkenntnisse, die die biblische Schöpfungsgeschichte in Frage stellen, nämlich das offenbar sehr hohe Alter von manchen Erdgesteinen. Mittels radiometrischer Messmethoden wurden Gesteinsalter von Millionen und Milliarden Jahren ermittelt, was sehr gut zum naturwissenschaftlich ermittelten Alter des Universums passen würde.

Aber auch hier werden Annahmen gemacht, die man nicht wirklich beweisen kann, auch wenn sie naturwissenschaftlich erstmal plausibel oder zumindest vernünftig erscheinen (siehe z.B. Creatio, Kap. 24, Das Alter der Erde). Zudem gibt es einige naturwissenschaftlichen Hinweise, die eher für eine junge Erde sprechen, siehe z.B. Indizien für eine junge Welt oder Durchbruch bei radiometrischer Datierung

Aber selbst bei als sehr alt ermittelten Gesteinen, gäbe es immer noch die Möglichkeit, dass Gott alt erscheinende Gesteine erschaffen hat, genauso wie er Adam und Eva als bereits erwachsene Menschen ins Leben gebracht hat. D. h. sie hatten einen vielleicht 30 Jahre alten Körper, obwohl sie in einem Augenblick erschaffen wurden. So war es ja nach der Bibel auch bei den Tieren. Oder auch bei den Sternen, die in einem Augenblick ins Dasein kamen, ohne erst über Millionen von Jahren gebildet werden zu müssen.

Letztlich bleibt es also eine Glaubenssache, ob man mehr der biblischen Offenbarung oder den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen glauben mag. Letztere können sich zudem mit der Zeit ändern bzw. als unzureichend verworfen werden, sind also grundsätzlich nicht absolut sicher.

Und natürlich gibt es auch noch die dritte Variante, die viele heutige Theologen vertreten, nämlich die Erschaffung der Welt in sechs Tagen nicht wörtlich, sondern symbolisch zu verstehen. Und natürlich will die Heilige Schrift uns nicht kosmologische Erkenntnisse vermitteln, sondern den Plan zum ewigen Heil. So gibt es auch alte katholische Theologen wie Augustinus und Thomas von Aquin, die hervorheben, dass es beim Schöpfungsbericht nicht um eine chronologische Darstellung der Entstehung der Welt geht, sondern die Ordnung in der Welt zu erklären, siehe z. B. die Erläuterungen dazu im “Praktischen Kommentar zur biblischen Geschichte” von Justus Knecht. Aber selbst Augustinus verstand die Erschaffung der Welt als ein Wunder Gottes, das in einem Moment geschah und eben nicht in Milliarden Jahren. Und natürlich hielt er auch an der (historischen) Existenz von Adam und Eva fest, ohne die der Heilsplan Gottes gar nicht verständlich wäre, insbesondere auch die Lehre über die sogenannte Ursünde bzw. Erbsünde. Und damit kommen wir zur zweiten Frage.

Zur 2. Frage: Gibt es unumstößliche Beweise, dass der Mensch nicht 6000, sondern hunderttausende von Jahren alt ist und sich evolutionär aus einem Tier bzw. einer Urzelle in der sogenannten Ursuppe entstanden ist?

Hier geht es eigentlich um zwei Fragen:

1. Ist es eindeutig bewiesen, dass die Welt Milliarden von Jahren alt ist und nicht wie in der Bibel berichtet in 6 Tagen von Gott erschaffen wurde?

2. Ist es eindeutig bewiesen, dass sich der Mensch durch Evolution aus einem Tier (Primaten) entwickelt hat, welches wiederum über Milliarden von Jahren aus einer Urzelle und diese wiederum durch biochemischen Prozesse mittels extern zugeführter Energie (Blitze?) aus einer “Ursuppe” (Miller-Urey-Experiment) entstanden ist und nicht wie in der Bibel berichtet von Gott als Adam und Eva innerhalb eines Tages erschaffen wurde?

Es geht also einerseits um das enorm hohe Alter, das der Welt und der Menschheit von der Wissenschaft zugeschrieben wird und andererseits um die behauptete Verwandtschaft des Menschen mit den Tieren bzw. der zufälligen Entstehung des Lebens durch natürliche Prozesse.

Die (genetische) Verwandtschaft der Menschen mit den Tieren ist ja aus biblischer Sicht durch die direkte Erschaffung des Menschen durch Gott nicht gegeben oder zumindest nicht notwendig (ähnliche körperliche Bausteine können aber natürlich dennoch ähnliche genetische Informationen beinhalten).

Und auch die hohen Altersangaben sind mit dem Schöpfungsbericht nicht wirklich vereinbar, sofern man diesen nicht einfach rein bildlich verstehen möchte und damit nicht nur den bislang 2000 Jahre alten Glauben der Kirche aufgeben, sondern m. E. auch noch jede Menge theologisch nicht wirklich lösbare Folgeprobleme in Kauf nehmen will (siehe z. B. Evolution oder Schöpfung?).

Und dass der Schöpfungsbericht in der Bibel eigentlich wörtlich gemeint sein muss, zeigt bereits die Begründung des Sabbatgebots anhand der Schöpfungswoche (Ex 20,8-11) und das Verbot der Ehescheidung mit Bezug auf Adam und Eva durch Jesus selbst (Mt 19,4-5).

Beides würde bei einem rein bildlichen Verständnis des Schöpfungsberichts keinen wirklichen Sinn ergeben, da die Begründungen dann keine (historische) Grundlage mehr hätten.

Eine theologisch sehr gute Abhandlung über die literarische Gattung und Historizität des Schöpfungsberichts findet sich übrigens bei Walter Hildebrands, “Der biblische Schöpfungsbericht in Genesis 1” in dem allgemein lesenswerten Sammelbands “Genesis, Schöpfung und Evolution.: Beiträge zur Auslegung und Bedeutung des ersten Buchs der Bibel” von Reinhard Junker.

Zur anderen Frage, ob es eigentlich unumstößlich bewiesen ist, dass der Mensch evolutionär entstanden ist. Bislang gibt es meines Wissens weder eine vollständig schlüssige Theorie, noch einen Beweis, dass Leben aus anorganischer Materie – ohne übernatürlichen Eingriff – entstehen kann (das Miller-Urey-Experiment jedenfalls kann dies entgegen immer noch verbreiteter Meinung eben nicht, siehe z. B. Leben aus Nichtleben – was sagen die wissenschaft­lichen Befunde? oder Können natürliche Vorgänge den Ursprung des Lebens erklären?). Und das wäre die Voraussetzung, dass eine Evolution des Lebens überhaupt passieren kann.

Eine weitere Voraussetzung wäre, dass es die Welt tatsächlich bereits mindestens Millionen von Jahren gibt, so dass die Zeit für eine Evolution überhaupt ausreichen könnte. Und wenn es den Menschen bereits so lange schon gäbe, hätte es eigentlich schon lange eine Überbevölkerung und extrem viele Fossilien menschlichen Ursprungs geben müssen, siehe z. B. Wie alt ist die Menschheit?.

Die stärksten Argumente meines Erachtens für die Verwandtschaft von Mensch und Tier bzw. konkret der Affen, sind genetische Ähnlichkeiten bzw. Besonderheiten, die eine Abstammung nahe legen oder sogar scheinbar belegen. So gibt es z. B. bei Menschen und Schimpansen sogenannte endogene Retroviren, die darauf hindeuten, dass der Mensch und die Affen gemeinsame Vorfahren haben (siehe den Beitrag Evolutionsbeweis durch endogene Retroviren der AG Evolutionsbiologie). Dafür gibt es aber auch andere Erklärungsmöglichten siehe z. B. What About the Similarity Between Human and Chimp DNA?, Large scale function for ‘endogenous retroviruses’ oder Endogene Retroviren – ein Beweis für gemeinsame Abstammung?.

Ich bin kein Biologe, schon gar kein Evolutionsbiologe und kann nicht abschließend beurteilen wer hier recht hat. Dennoch ist klar, dass auf diesem Gebiet noch so Vieles nicht vollständig erforscht und verstanden ist, dass man m. E. nicht von einem unwiderlegbarem Beweis für die Evolution sprechen kann, sondern höchstens von mehr oder weniger starken Indizien dafür.

Abschließend noch zur eingangs gestellten Frage: Ist es nun verrückt, (weiterhin) an die biblische Schöpfungsgeschichte zu glauben und würde man damit nicht eindeutig klare naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ignorieren?

Ich meine nein, da selbst ein wörtlich verstandener biblische Schöpfungsbericht nicht unbedingt den heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen muss. Denn diese würden ja erst in der bereits erschaffenen Welt gelten und nicht bereits davor. D. h. entscheidend ist, dass die biblische Geschichte NACH der Erschaffung der Welt mit den (tatsächlich) gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang gebracht werden kann. Und selbst da gibt es Ausnahmen, nämlich dann wenn Gott in der Bibel Wunder wirkt und damit zumindest kurzzeitig die Naturgesetze außer Kraft setzt (wie z. B. bei der Teilung des Meeres beim Auszug der Israeliten aus Ägypten).