Im Teil 1 habe ich die Kapitel 1+2 des Artikels “Die Entstehung der Kindertaufe” von Ernst G. Maier kommentiert.

In diesem Teil 2 werde ich das Kapitel 3 “Die Voraussetzungen zur Veränderungen der Taufpraxis” beleuchten.

Wie auch im letzten Teil werde ich so vorgehen, dass ich zunächst einen Abschnitt aus dem oben genannten Artikel zitiere, um ihn dann anschließend zu kommentieren.

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3.1      Die Lehre von der Erbsünde

1. Die biblische Lehre von der „Erbsünde“ bezeugt, daß der Mensch von der Zeugung an sündig ist. Das heißt nicht, daß ein ungeborenes Kind schon persönlich gesündigt hat. Als Adam sündigte, hat er als natürlicher Stellvertreter aller Menschen gesündigt, so daß alle seine Nachkommen „in Sünde“ geboren sind. Psa. 51,7; 58,4; Rö. 5,12-14.

3. Obwohl das Neue Testament die Lehre von der „Erbsünde“ kennt, berichtet das Neue Testament nur von der Taufe gläubiggewordener Menschen. Die Apostel und die erste Gemeinde hielten es nicht für nötig, Säuglinge oder Kleinkinder zu taufen, trotz der Lehre von der Erbsünde.

Punkt 1 ist soweit richtig (auch wenn ich vielleicht hier noch kurz erklären möchte, warum bzw. wie Adams Sünde bzw. Sündhaftigkeit auf seine Nachkommen übergehen kann: die Menschen sind nicht nur einzeln voneinander getrennte Individuen, sondern sind geistlich miteinander „verbunden“. Durch die Sünde Adams wurde nicht nur er selbst von der Sünde „infiziert“, sondern mit ihm auch das ganze (von ihm und Eva abstammende) Menschengeschlecht. Deshalb wurde ja auch nicht nur Adam sterblich, sondern sind wir es alle als seine Nachkommen auch)

Punkt 2 ist jedoch wie bereits in Teil 1 erläutert falsch.

Es ist richtig, dass im Neuen Testament nicht explizit von einer Säuglingstaufe berichtet wird, aber sie wird auch in den Berichten über die Taufe „ganzer Häuser“ nicht ausgeschlossen. Damit kann man hier keine ganz eindeutige Aussage machen.

Dass es die „Apostel und die erste Gemeinde“ es nicht für nötig hielten „Säuglinge oder Kleinkinder zu taufen“, ist damit eine nicht nachgewiesene Behauptung. Wenn man zudem die frühen Schriften der Kirche ansieht, dann muss man eher vom Gegenteil ausgehen. Denn diese berichten von Säuglingstaufen (z.B. Irenäus) und dass  diese auch von den Aposteln angeordnet wurden (Origenes).

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3. Die Einführung der Kindertaufe geschah auf Grund einer Veränderung der Lehre. In der nachapostolischen Zeit führte die „Lehre von der Erbsünde“ zu einer „Be­sorgnis um das Heil der Kinder“.

Das ist nachweislich falsch (zumindest nicht beweisbar).

Die Lehre der „Erbsünde“ veränderte nicht die ursprüngliche Lehre, sondern erklärte den damaligen (apostolischen) Glauben und die damit verbundene Taufpraxis (nämlich neben Erwachsene auch Säuglinge zu taufen).

Genauso wenig veränderte die Lehre der Dreieinigkeit die ursprüngliche Lehre, sondern erklärte den Glauben, den die Christen von Anfang an hatten.

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6. Abschließend können wir feststellen, daß die Lehre von der angeborenen Sündhaftigkeit (vgl. Psa. 51,7; 58,4; Röm. 5,12-14), in Verbindung mit der falschen Taufwiedergeburtslehre, zur allgemeinen Praxis der Kindertaufe geführt hat.36

 

Hier wird vorausgesetzt, dass die Taufwiedergeburtslehre falsch ist. Dass dem nicht so ist werde ich in einem späteren Teil dieser Serie erläutern, wo ich die katholische Tauflehre vorstellen werde. Die obige Schlussfolgerung ist auf jeden Fall nicht zwingend und auch historisch nicht eindeutig belegbar.

Ernst Maier geht davon aus – wie viele andere Freikirchen übrigens auch – , dass die Kindertaufe irgendwann nach Ableben der Apostel von irgendwelchen Bischöfen eigenmächtig und entgegen der apostolischen Lehre eingeführt wurde (was er m.E. aber nicht wirklich belegen kann).

Ich behaupte, dass es die Säuglingstaufe von Anfang an gab, nur in der Bibel eben nicht explizit erwähnt wurde (was ich m.E. besser nachweisen kann, da wie gesagt bereits Irenäus vor 200 n.Chr. die Säuglingstaufe erwähnt, Origenes um 200 n.Chr. den apostolischen Ursprung dieser Lehre belegt und es zudem m.E. sehr, sehr unwahrscheinlich ist, dass zu jener Zeit bereits die ganze Kirche mit all ihren so standhaften Märtyrern nichts gegen eine so gravierende und fundamentalen „Irrlehre“ getan hätte).

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3.2      Die Taufwiedergeburtslehre

 1. Veränderung der Praxis ist nur möglich, wo die Lehre schon vorher verändert worden ist. Die Entstehung und Annahme der Taufwiedergeburtslehre ist Voraussetzung, damit die Kindertaufe entstehen und sich durchsetzen konnte. (Beachte: Das Handeln eines Menschen ist immer im Einklang mit seinem Denken).

Bei Punkt 1 widerspricht sich der Autor selbst.

Erst wird behauptet, dass zuerst die Praxis der Kindertaufe da war und dann die (Formulierung der) Theologie durch Augustinus folgte (was übrigens historisch richtig ist):

5. Zur Zeit Augustins war die Lehre der Sündhaftigkeit der Kinder und der daraus folgenden Notwendigkeit der Kindertaufe zur Abwaschung dieser Sündhaftigkeit, so weit durchgedrungen, daß Augustin die Lehre der Kindertaufe zum Beweis der Sündhaftigkeit der Kinder verwenden konnte. Kurt Aland schrieb: „Jedoch schon Augustin kann der Proklamation der Sündenfreiheit der Neugeborenen durch die Pelagianer . . . unter Berufung auf eine allgemeine Übung der Kindertaufe entgegen­treten, die doch die angeborene Sündhaftigkeit des Täuflings voraussetze.“35

Dann wird oben in Punkt 1 erklärt, dass zuerst die Theologie veränderte wurde, nämlich durch die “Taufwiedergeburtslehre“, und daraufhin die geänderte Praxis folgte (und auch zwingende Voraussetzung hierzu wäre). Dies ist m.E. historisch einfach (nachweisbar) falsch.

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2. Historisch gesehen führte die Taufwiedergeburtslehre zur „Notwendigkeit der Taufe“ (Heilsnotwendigkeit der Taufe). Augustin und die römische Kirche leiteten dann von der „Notwendigkeit der Taufe“ die „Notwendigkeit der Kindertaufe“ ab. Wenn, nach der Lehre der damaligen Kirche, die Wiedergeburt durch die Taufe geschieht, dann müssen alle Kinder getauft werden, und dann sind alle nichtgetauften Kinder verloren.37

Dies ist wiederum vollkommen korrekt.

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3.3      Das Vorbild der heidnischen Mysterienkulte

1.   Die Gemeinde war umgeben von einer Vielzahl heidnischer Kulte. Für die
wichtigen Übergangspunkte des Lebens (Geburt, Geschlechtsreife und Tod) hatten
diese heidnischen Kulte viele eindrucksvolle Rituale und Zeremonien. Diese Ritualien
wurden auch „Mysterien“ (Geheimnisse, Sakramente) genannt. Durch diese
„Mysterien“ wurden Kontakte zur Götterwelt hergestellt, und Bewahrung des
menschlichen Lebens durch die Götter wurde dadurch gesichert.38

2. Die patristische Literatur zeigt, daß die Taufe immer mehr in solch eine
„Mysterienfeier“ umgewandelt wurde. Die Taufe glich mehr einem heidnischen
Zauberritual als einer neutestamentlichen Taufe. „Das Entstehen der Säuglingstaufe
ging Hand in Hand mit einem Eindringen heidnisch-magischen Denkens in die
christliche Gemeinde.“39

Punkt 1 ist historisch sicherlich richtig.

Punkt 2 jedoch ist eine reine Behauptung bzw. persönliche Meinung von Ernst Maier bzw. der Autoren seiner zitierten Quellen.

Diese Theorie (!), dass sich die Kirche schon sehr früh von heidnischen Mysterien beeinflussen ließ und dann von der wahren apostolischen Lehre und Praxis abirrte ist im protestantischen Bereich sehr weit verbreitet und wird oft als historische Tatsache ausgegeben.

Es bleibt aber eine Theorie, die sich m.E. nicht historisch nachweisen lässt. Ganz im Gegenteil die patristische Literatur zeigt m.E. ganz deutlich, dass sich die frühen Christen eben nicht von den heidnischen Kulten beeinflussen ließen, sondern sogar nachdrücklich dagegen vorgingen und die heidnischen Bräuche bekämpften.

Man darf eben nicht nur die für uns heute manchmal etwas eigenartig anmutenden „Taufrituale“ betrachten (die m.E. übrigens jedoch vollkommen im Einklang mit der apostolischen Lehre und der Bibel stehen), sondern muss auch den Rest der patristischen Schriften berücksichtigen.

Diese einseitige und „unwissenschaftliche“ Argumentation (meist mit Quellen aus zweiter Hand) finde ich ehrlich gesagt unehrlich und auch unfair (vor allem gegenüber unseren Brüdern und Schwestern, die in den ersten Jahrhunderten nach Christus lebten und i.d.R. ein um Vielfaches vorbildlicheres Leben geführt haben als wir heute und sich sogar für ihren Glauben qualvoll foltern und ermorden ließen)

Punkt 2 ist also – nachdem was ich heute über die Alte Kirche gelesen und studiert habe absurd und zeugt m.E. entweder von mangelnden Kenntnissen der patristischen Schriften bzw. der Kirchengeschichte oder von der Absicht, die frühe katholischen Kirche mit allen Mitteln zu diskreditieren (was sicher sehr schwer gelingen wird, da damals die kath. Kirche im Gesamten – im Gegensatz zu späteren Zeiten – wirklich noch sehr, sehr vorbildlich war).

Zu:

Heussi beschreibt den Zeremonienkult der damaligen Kirche: „Im Katechumenat trat der Unterricht immer mehr hinter umständlichem Zeremoniell zurück (Darreichung von geweihtem Salz; Exorzismen, Bekreuzigung, Anblasen usw.). Auch die Taufe war mit reichen Zeremonien umgeben (feierliche abrenuntiatio an den Satan und Zusage an Christus; Wasserweihe; interrogatio de fide und dreimaliges Untertauchen; Salbung mit Öl; Aufsagen des Vaterunsers durch den Getauften; Bekleidung mit weißen Linnengewändern, Überreichung von brennenden Kerzen, von Milch und Honig usw.). Die auf das Untertauchen folgende Salbung mit geweihtem Öl (chrisma) galt schon im 3.Jh. als ein selbständiges Sakrament (confirmatio, Firmung); sie wurde im Abendlande dem Bischof vorbehalten und daher von der Taufhandlung gelöst.40

Soweit noch richtig.

Was ist aber am “Zeremonienkult der damaligen Kirche” falsch?

Man sollte vielleicht mal das Alte Testament lesen und sich fragen, ob es hier nicht ganz ähnliche „Zeremonien“ gab. Wenn man das Taufritual der Alten Kirche mit seinen vielen bildhaften Elementen nicht versteht, dann ist natürlich klar, dass man das seltsam findet. Es ist aber wie oben bereits gesagt in keinster Weise „heidnisch“ noch „unbiblisch“. Ganz im Gegenteil. Es bezeugt ganz eindeutig den wahren christlichen Glauben.

Oder gibt es denn z.B. keinen Teufel?

Oder sind Exorzismen “unbiblisch”?

Dann sollte man mal das Neue Testament genauer lesen…

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3. Tertullian bezeugt, daß durch die Tradition die Taufpraxis und andere Sitten
verändert worden sind:41

a. Bevor der Täufling ins Wasser geht, sagt er dem Teufel, seinen Werken und
seinen Engeln in der Gegenwart der ganzen Gemeinde ab.

b. Der Täufling wird dreimal untergetaucht und macht dabei ein „etwas volleres
Versprechen, als der Herr in den Evangelien vorgeschrieben hat.“

c. Nach der Taufe erhält der Täufling für eine Woche lang eine Mischung aus
Milch und Honig.

d. Für eine Woche lang verzichtet der Täufling auf sein tägliches Bad.

e. Das Mahl des Herrn, das der Herr beim letzten Abendmahl eingesetzt hat,
wird in der Morgenversammlung empfangen.

f. Am Jahrestag des Todes von Gläubigen wird der „geistliche Geburtstag“ (Eingang in das ewige Leben) gefeiert.

Was ist denn daran falsch? Warum darf man denn nicht Gebräuche ändern, solange sie der apostolischen Lehre und der Bibel nicht widersprechen?

Ich könnte jetzt genauso fragen, warum man denn die wöchentliche Eucharistiefeier („Abendmahlsfeier“) in vielen Freikirchen abgeschafft hat und sie durch eine z.B. monatliche ersetzt hat (obwohl in Apg 2 sogar berichtet wird, dass das „Brotbrechen“ täglich geübt wurde; aus diesem Grund gibt es in der kath. Kirche übrigens bis heute noch tägliche Messen).

Ich glaube kaum, dass sich die meisten protestantischen Kirchen oder Freikirchen nicht frei fühlen, kirchliche “Rituale” abzuändern oder “anzureichern” (ich denke hier z.B. auch an die vielen Hochzeitsrituale, die ja noch dazu der Bibel in keinster Weise erwähnt werden)

Also für mich wird mit obigen Abschnitt einfach nur versucht zu suggerieren, dass die frühe Kirche in UNZULÄSSIGER WEISE die Taufpraxis geändert hat (was m.E. nicht richtig ist).

Nochmals meine Frage: was ist an dieser Taufpraxis unzulässig oder „unbliblisch“?

Zu:

4. Weber spricht in diesem Zusammenhang von dem Bazillus der „Sakralmagie“ und
vom „Taufzauber“.42

Ich glaube, dass ich das nicht mehr kommentieren muss. Das ist eben eine Meinung Webers, damit wäre aber nichts „bewiesen“.

Ich finde das ehrlich gesagt auch schon ziemlich verleumderisch, den frühen Christen „Magie“ und „Zauberei“ zu unterstellen (was eben historisch m.E. nicht bewiesen werden kann).

Zu:

Die Entstehung des Staatskirchentums

1. Konstantin hat die Kirche nicht nur anerkannt, sondern auch bevorzugt. „Das Uni­versalreich drängte zu einer Universalreligion; zu einer solchen bot aber das Heidentum nur schwache und ungenügende Ansätze.“43 Er wollte eine starke Kirche, denn in einer starken Kirche sah er die Grundlage für ein starkes römisches Reich.44

  1. Kirchenmitgliedschaft wurde im Laufe der Jahre zur Staatspflicht. „Nichtchrist“ sein wurde zum Staatsverbrechen und wurde strafbar.45
  2. Zur Kirchenmitgliedschaft war jedoch die Taufe notwendig. Deshalb wurde die Kindertaufe gesetzlich geboten. „Die Säuglingstaufe wurde zum Fundament der Staatskirche.“46

 

Das ist sicher richtig. Natürlich kann man jetzt darüber streiten, ob das richtig und gut war. Andererseits wäre die Alternative eines vollkommen heidnischen Staates wohl auch nicht viel besser gewesen.

Aufgrund seines Glaubens hat Kaiser Konstantin zumindest auch einige wirklich guten Dinge getan (die ohne „christlichen Staat“ sicherlich nicht möglich gewesen wären) wie z.B.

  • Abschaffung der menschenverachtenden Kreuzigung als Todesstrafe
  • Abschaffung der Gladiatorkämpfe als Verbrecherstrafe
  • Erschwerung der Ehescheidung
  • Verbot des Haltens von Konkubinen (was damals offensichtlich üblich war)

Das letzte Kapitel 4 “Einwände gegen die Taufwiedergeburtslehre” werde ich aufgrund des Umfangs imn den nächsten Teilen behandeln (siehe Teil 3).