Wir haben Fastenzeit.

Warum wir fasten sollen ist heute vielen Christen aber gar nicht mehr klar. Fasten scheint ja auch eine aus der Zeit gefallene christliche Tradition zu sein. Zumindest das Fasten zur eigenen Läuterung und zur Unterstützung unserer Gebetsanliegen (im Gegensatz zum gesundheitlichen Fasten). Und Fasten ist natürlich auch eine ganz praktische Herausforderung.

Ich denke aber, das man sich zumindest ein kleines Fastenziel setzen sollte, z. B. von Montag bis Samstag auf Süßigkeiten und Fleisch zu verzichten und die Zeit mit regelmäßigen Gebet und auch Almosen, d. h. Spenden für Notleidende zu verbinden. Gerade jetzt, wo die Ukraine so leiden muss und mittlerweile auch Europa in konkreter Gefahr eines großen Krieges oder gar atomarer Verseuchung besteht.

Der heilige Romanos Melodos (um 560 n. Chr.) erklärt uns dazu den Sinn und Zweck des Fastens in eindrücklicher Weise:

Überlasse dich der Reue, meine Seele; vereinige dich im Geiste mit Christus; schluchze laut: „Vergib mir meine bösen Taten, damit ich von dir, dem Einen Guten (vgl. Mk 10,18) die Vergebung und das ewige Leben empfange“. […]

Mose und Elija, diese Feuersäulen, waren groß in ihren Werken. […] Sie sind die ersten unter den Propheten. Sie redeten freimütig mit Gott, nahten sich ihm gern, um zu beten und von Angesicht zu Angesicht mit ihm zu sprechen (vgl. Ex 34,5; 1 Kön 19,13) – etwas Erstaunliches und Unglaubliches! Und doch waren sie darauf bedacht, das Fasten zu üben, das sie zu Gott führte (vgl. Ex 34,28; 1 Kön 19,8). Das Fasten also, zusammen mit den Werken, verschafft ewiges Leben.

Durch das Fasten werden die Dämonen wie mit einem Schwert in die Flucht geschlagen, denn sie können die damit verbundenen Freuden nicht ertragen; sie lieben den Genussmenschen und den Trunkenbold. Aber dem Fasten ins Gesicht zu schauen, das ertragen sie nicht. Sie ergreifen die Flucht, wie uns Christus, unser Gott, lehrt, wenn er sagt: „Diese Art von Dämonen kann nur durch Fasten und Gebet ausgetrieben werden“ (vgl. Mk 9,29). Deshalb werden wir belehrt, dass Fasten den Menschen ewiges Leben verleiht. […]

Fasten gibt denen, die es üben, das Vaterhaus zurück, aus dem Adam vertrieben wurde. […] Gott selber war es, der Freund des Menschen (vgl. Weish 1,6), der den Menschen, den er geschaffen hatte, zunächst dem Fasten anvertraute, wie einer liebevollen Mutter, wie einem Lehrer: Nur von einem einzigen Baum sollten sie nicht essen (vgl. Gen 2,17). Und hätte der Mensch dieses Fasten befolgt, dann hätte er bei den Engeln wohnen können. Aber er verwarf es und fand Mühsal und Tod, die Herbheit von Dornen und Disteln, die Qual eines leidvollen Lebens (vgl. Gen 3,17–18). Wenn sich das Fasten sogar im Paradies als nützlich erweist, um wie viel mehr lohnt es sich dann hier auf Erden, damit wir das ewige Leben erlangen!

Hymnus „Adam und Eva“, 1–5 ; SC 99 (Hymnes, Éd. du Cerf 1964, p. 71, rev.; ins Dt. übers. © Evangelizo)